Dietrich Stobbe: „16 Jahre Beratung der kommunalen Wirtschaft – eine Zwischenbilanz“

Vortrag vor dem Vorstand des Verbandes der Kommunalen Unternehmen (VKU), Berlin, 2007

„ (…)

Lehren aus der Politik
Die Erfahrungen in der Politik als Regierungschef einer Großstadt haben mir genutzt; ihr Kern war das Wissen um die Komplexität der politischen Willensbildung in einem Gemeinwesen, z.B. die Kenntnis der Rollenvielfalt der Städte als Aufgabenträger und Besteller, als Gesellschafter, als Genehmigungsbehörde und als Kunde von öffentlichen Unternehmen. Oder auch das Verständnis der komplizierten Interaktionen zwischen dem Kollegialorgan, das die Verwaltung einer Stadt führt, und dem Rat oder auch dem Parlament, welches die Kontrolle der Verwaltung ausübt und dessen Mehrheit doch erforderlich ist, um die Arbeit der Exekutive abzusichern

All das habe ich in der Politik gelernt und brachte es in die Beratung mit ein. Als ich mein Amt als Regierender Bürgermeister von nunmehr 30 Jahren antrat, fand ich auf meinem Schreibtisch 17 Berichte des Rechnungshofes mit Monita zu Verwerfungen in den Eigenbetrieben des Landes vor. Diese Verwerfungen waren gravierend und zeigten auch, das wichtige und notwendige Unterscheidungen zur Führung und Verantwortung verloren gegangen waren. Unternehmen müssen durch berufene Geschäftsführungen geführt werden. Die Geschäftsführungen unterliegen dabei strategischen Vorgaben der Gesellschafter. Die Arbeitnehmer haben ein Recht auf Mitbestimmung, aber kein Recht auf Führung und auch kein Recht auf die strategische Positionierung des Unternehmens, die dem Gesellschafter zusteht. In Berlin war dieser Ordnungsrahmen erheblich durcheinander geraten. Ich war geradezu gezwungen, mich diesem Thema zuzuwenden und Lösungen herbeizuführen, obwohl die geteilte Stadt weiß Gott einen Regierenden Bürgermeister tagtäglich andere Schwerpunktsetzungen abverlangte. Die Erfahrungen, die ich mit den Aufräumarbeiten in den Eigenbetrieben machte, waren sehr schmerzlich. Ich erhielt, um ein Beispiel zu nennen, einmal 250 SPD-Parteibücher auf den Schreibtisch gelegt mit Austrittsdrohungen verbunden, falls ich dieses oder jenes täte oder unterließe.

Lehr- und Gesellenjahre bei Arthur D. Little
Die hautnahen Erfahrungen mit dem verqueren Ordnungsrahmen, in den unsere Berliner Betriebe geraten waren, haben offenbar nachgewirkt. Als ich mich 1990 nach 14 Jahren Mitgliedschaft im Abgeordnetenhaus, davon 8 Jahren im Senat und nach 2 Legislaturen im Deutschen Bundestag entschließen musste, neu anzufangen und das Beraterhandwerk zu erlernen, geriet ich bei Arthur D. Little gleich in den Geschäftsbereich „Public Sektor“. Trotz sehr schnell erworbener hoher Titel, wie das bei amerikanischen Unternehmen so ist, waren dies Lehr- und Gesellenjahre. Ein amerikanisches Beratungsunternehmen bildet Beratungs-Know how für Märkte und Kunden aus. Da steht der Staat mit seinen Ebenen Bund, Länder, Gemeinden neben den Industriebranchen und wird so angegangen, wie er es als Kunde verlangt. Damals, in den 90ger Jahren, wollten die Unternehmen der Gebietskörperschaften vor allem Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen, und die dazu notwendigen Prozesse wurden im wesentlichen mit dem Management der Unternehmen vereinbart und abgesprochen. Ich will jetzt natürlich nicht über einzelne Projekte berichten, sondern will nur sagen, dass es mir nichts ausgemacht hat, als Mitglied eines Projektteams oder als Projektleiter an internen Leistungsprozessoptimierungen in kommunalen Unternehmen mitzuwirken. Es war eine Zeit, in der die Geschäftsführungen und Vorstände öffentlicher Unternehmen und die darunter liegenden Bereichsleiterebenen im Mittelpunkt unseres Denkens standen, wenn es darum ging bei Akquisitionen erfolgreich zu sein.

Managementberatung, Gesellschafterberatung
Ja, und dann kamen das Projekt des europäischen Binnenmarktes und die damit einhergehenden ersten Bemühungen der EU zur Durchsetzung der Liberalisierungen. Das hieß konkret: die Abschaffung der örtlichen Demarkationen, in denen sich die Arbeit öffentlicher Unternehmen ungeschützt vor Wettbewerb hatte vollziehen können. Ich wusste damals, dass sich in der Beratung solcher Unternehmen eine grundsätzliche Änderung vollziehen würde, notwendigerweise, nicht unbedingt erwünschterweise. Es würden nicht nur die öffentlichen Unternehmen unter Druck geraten und Beratung benötigen, sondern in gleicher Weise auch ihre Eigentümer, die Gemeinden, die Landkreise, die Städte, die Länder und schließlich auch der Bund. Sie alle mussten sich unter dem Druck neuer EU-Richtlinien die Frage stellen, ob sie überhaupt in den angestammten Märkten ihre Unternehmen verbleiben wollten und wenn ja, wie sie ihre Unternehmen angesichts der neuen Herausforderungen positionieren wollten. Der Binnenmarkt führte direkt zur Gesellschafterberatung, eben nicht nur zur Managementberatung. Das änderte fast alles für das Beratungsgeschäft.

Selbständigkeit
Mit dem Gedanken der Board-Room-Beratung machte ich mich dann 1997 selbständig und gründete zusammen mit einem Seniorberater von ADL, einem Juristen, vor nunmehr 10 Jahren mein erstes Beratungsunternehmen, das sich wiederum ausschließlich auf die Beratung der Gesellschafter und Geschäftsführungen öffentlicher Unternehmen konzentrierte. Heute hat ein Teilrechtsnachfolger dieses ersten Unternehmens fünf Partner. Wir haben im Durchschnitt 10 Jahre lang mit 15 bis 20 hoch qualifizierten Beratern gearbeitet. Was haben wir gemacht?

  • Beratungsbeispiel: Stadtkonzern
    Wir haben Stadtkonzerne gebaut. Ich nenne als Beispiel die Landeshauptstadt Dresden. Dort haben wir die Technischen Werke Dresden zur geschäftsleitenden Holding ausgebaut, die DREWAG um die Sparten Gas und Wasser erweitert und die Dresdner Verkehrsbetriebe in den Stadtkonzern eingebracht. Das Ganze wurde mit schon vorhandenem privatem Partner in einem zähen Ringen um die Rückeroberung bestimmter Einflussoptionen der Stadt über eine lange Wegstrecke ausverhandelt. Das Ergebnis steht noch heute zur Besichtigung an. In Offenbach haben wir den OB Grandke in einer ganzen Serie von Projekten bei der Bildung seines Stadtkonzerns beraten und dann bei dem Verkauf von 49% der Anteile der EVO ihm zu dem entscheidenden Schritt zur Sanierung seines Stadthaushaltes verholfen. Es war ein Verkauf an die MVV und eben nicht an eines der sich damals langsam herausbildenden späteren Oligopolunternehmen der Energieversorgung.
    Wir haben dann in weiteren Städten Stadtkonzerne gebaut, z.B. mit OB Dr. Seiffert in Chemnitz. Dabei ist uns sehr schnell klar geworden, dass starke kommunale Konzerne ihren Sinn machen, wenn die Gesellschafter und die Geschäftsführungen die Eigenoptimierung bis hin zur Marktorientierung vorantreiben wollen. Wir haben auch gelernt, dass teilprivatisierte Unternehmen durch die Aufnahme eines Partners ein betriebswirtschaftliches Gewissen erhalten können. Entscheidend bei der Gründung von gemischtwirtschaftlichen Betrieben sind aber die Ausgestaltung der Verträge und das bewusste gemeinschaftliche Leben der Partnerschaft. Darüber nachher mehr.
  • Beratungsbeispiel: Mergers & Acquisitions
    Wir sind dann als Beratungsunternehmen schon bald von ausländischen Investoren, insbesondere aus dem Energiebereich, entdeckt worden, die den deutschen Markt erobern wollten. Mit vielen von ihnen, aber nicht mit allen, haben wir zusammengearbeitet, um ihnen die Möglichkeit zur Bildung einer Wettbewerbsplattform in Deutschland zu verhelfen. Wir haben mit Verblüffung festgestellt, dass die Mehrzahl der deutschen Städte sie nicht wollten, sondern die sich bildenden Oligopolunternehmen bevorzugten. Unsere Kunden zogen sich als Folge mangelnder Marktöffnung schon bald vom deutschen Markt zurückzogen, obwohl die eine oder andere Übernahme gelang. Als Beispiel nenne ich den finnischen Energieversorger Fortum, den wir beim Erwerb des Regionalversorgers Wesertal beraten hatten. Sie alle gingen, weil sie spürten, dass das Oligopol ihnen in Deutschland kaum eine echte Wettbewerbchance ließ.
  • Neue Beratungsansätze
    Inzwischen ist unser Unternehmen bei völlig neuen Beratungs-Angeboten angelangt: PPP-Modelle im Hoch- und Tiefbau, die Unterstützung von Unternehmen, die sich um Energie- und Wärmegewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen bemühen, horizontale Kooperationen im Bereich der Netzbetriebe, die ersten Ausschreibungen von Konzessionen, z.B. im Gasbereich, der Kampf der Sparkassen um die Aufrechterhaltung des Drei-Säulen-Systems im deutschen Bankwesen, usw..

Schwierige Zwischenbilanz
Kann es eine erste Zwischenbilanz geben? Sie ist, ehrlich gesagt, sehr schwierig. Unsere heutigen Beratungen finden in einem immer noch nicht gefestigten Ordnungsrahmen statt. Eine ordnende Hand für die öffentlichen Unternehmen der Bundesrepublik Deutschland von Stein-Hardenbergscher Qualität existiert nicht. Eine Harmonisierung der Liberalisierungsansätze Europas und des deutschen Rechtsrahmes ist nicht in Sicht, was man besonders deutlich an der Rolle der Kommunalaufsichten und der Ländergesetze zur Aufgabenzuweisung an öffentliche Unternehmen der Gebietskörperschaften sieht. Deshalb zu diesem Thema eben nur einige Anmerkungen, eher fragmentarischer Natur.

Das Dilemma mit der EU
Die deutschen Kommunen haben das verfassungsmäßige Recht auf Selbstverwaltung und daraus abgeleitet das Recht zur Organisation der Aufgaben, die ihnen obliegen. Dieser Ansatz findet sich im EU-Recht nicht wieder. Als die Bundesrepublik Deutschland den Römischen Verträgen beitrat, war es ihr nicht möglich, diesen Sondertatbestand eines föderalen Staates im EU-Recht zu verankern. Alle EU-Organe berufen sich, und zwar legitimerweise, bei der Auslegung der von den Regierungen beschlossenen Verträgen natürlicherweise auf das Gemeinschaftsrecht, das von den Regierungen tatsächlich beschlossen wurde. Die selbstverwalteten Gebietskörperschaften und ihre Betriebe und Unternehmungen kommen darin nicht vor.

Nun, das ist seit Jahrzehnten bekannt. Aber muss die Vertretung der Interessen der Kommunen und der kommunalen Wirtschaft durch die Bundesrepublik Deutschland deshalb so schwach sein, wie sie es faktisch ist? Ich sage dies nicht von ungefähr, sondern aufgrund von konkreten Erfahrungen in Beratungsprojekten. Aus Sicht der europäischen Organe gibt es da keine einheitliche Interessenvertretung der Deutschen. Wenn es zu diesem Thema kommt, hört Europa eine deutsche Kakophonie. Kämpft die Bundesregierung für die berechtigten Anliegen der kommunalen Unternehmen, tun dies einheitlich die Länder, kämpft der deutsche Städtetag für die Unternehmen der Städte konkret oder eher pauschal für sein eigenes Anliegen, das Recht auf Selbstverwaltung?

Falscher Maßstab „Wettbewerbsfähigkeit“
Die Verwirrung im schlecht definierten Ordnungsrahmen sieht man schon an der Verwendung des Begriffes „Wettbewerbsfähigkeit“. Können und müssen öffentliche Unternehmen wettbewerbsfähig sein? Gemeint kann damit ja nur sein, das öffentliche Unternehmen in ihren Kostenstrukturen so gestaltet sind wie, sagen wir, ein „durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen“ der Privatwirtschaft, um ein berühmtes Kriterium des EuGH zu zitieren. Ist das wirklich denkbar?

Ich meine nein. Denn unsere öffentlichen Unternehmen tragen zunächst einmal einen Block von Kosten, der ihnen durch ihre Aufgabenträger - die Städte und Gemeinden – aufgebürdet wurde. Es gibt schlichtweg kein privates Unternehmen, das z.B. bei der Erstellung eines Nahverkehrsplans mitwirkt oder ihn gar allein für die Kommune erstellt. Und es gibt keinen privaten Abfallentsorger, der die Entsorgungsplanung oder die Deponien für eine Stadt unterhält. Ist es fair, solche Teile der Kostenstrukturen eines öffentlichen Unternehmens bei anstehenden Ausschreibungen in den Wettbewerb zu stellen, wenn private Unternehmen solche Kostenblöcke in ihren GuVs gar nicht kennen?

Oder nehmen wir den Personalaufwand. Die öffentlichen Arbeitgeber verhandeln mit den Gewerkschaften über die Tarifverträge. So umstritten die Verhandlungsergebnisse auch sein mögen, am Ende stehen Verträge, die von beiden Seiten eingehalten werden müssen. Wenn aber die gleiche Gewerkschaft mit den öffentlichem Arbeitgebern teurere und mit den privaten Arbeitgebern günstige Tarife abschließt, wie kann man dann von den öffentlichen Unternehmen Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich mit den privaten Anbietern solcher Dienstleistungen überhaupt nur erwarten?

Die Annahme des Begriffes „Wettbewerbsfähigkeit“ für öffentliche Unternehmen führt deshalb von vornherein jeden Eigentümer eines solchen Unternehmens auf die schiefe Argumentations-Bahn. Solange eine Gebietskörperschaft ihr eigenes Unternehmen mit Gemeinwohlaufgaben betraut, die sich in dessen Kostenstruktur signifikant niederschlagen, und solange eine Gebietskörperschaft an Tarifvertragsabschlüssen mitwirkt, die höher sind als die Tarifabschlüsse der gleichen Gewerkschaft mit privaten Unternehmen, muss sich der öffentliche Eigentümer zu den daraus resultierenden Kosten seines eigenen Unternehmens bekennen und dieses Unternehmen vor dem Vorwurf mangelnder Wettbewerbsfähigkeit in Schutz nehmen. Dann ist Wettbewerbsfähigkeit erneut ein falscher Maßstab.

Marktorientierung durch Benchmarking
Aber kann man sich nach diesen beiden Feststellungen zurücknehmen? Natürlich nicht. Es gibt in den Kostenstrukturen öffentlicher Unternehmen genügend Raum für Benchmarks mit den Kostenstrukturen der privaten Unternehmen. In vielen Fällen ist es auch heute so, dass diese Kostenstrukturen einer Anpassung an das Marktniveau bedürfen. Öffentliche Unternehmen sind also durchaus restrukturierungsbedürftig. In solchen Fällen plädiert unser Beratungsunternehmen strikt für ein Benchmarking mit „durchschnittlichen, gut geführten“ privaten Unternehmen und für die Verabredung von Restrukturierungspfaden zwischen Gebietskörperschaft und öffentlichen Unternehmen. Können solche Verträge langfristig gestaltet werden, erhält das öffentliche Unternehmen Planungs- und Investitionssicherheit durch sein Gesellschafter und nimmt als Gegenleistung die Last einer Marktorientierung in seinen marktrelevanten Kostenstrukturen auf sich. Dann haben wir im Ergebnis marktorientierte öffentliche Unternehmen, deren Gesellschafter sich zum Gemeinwohl-Auftrag dieser Unternehmen und zu den Tarifstrukturen im öffentlichen Dienst bekennen und sich gleichzeitig für Kostendegressionen einsetzen.

Ein solches System setzt Benchmarking den Privaten als Wettbewerbs-Surrogat voraus. Ein solches System sollte von der deutschen Politik gegenüber Europa offensiv vertreten werden. Dadurch könnte Schluss gemacht werden mit dem Starren des Kaninchens auf die Schlange Europa.

Mehr Selbstbewusstsein bei der Vertretung der Interessen der kommunalen Unternehmen
Ein Benchmarking als Nachweis der Marktorientierung öffentlicher Unternehmen setzt nun allerdings voraus, dass es der deutschen Politik gelingt, die In-House-Vergabe für deutsche öffentliche Unternehmen vor dem Vergaberecht zu bewahren. Viele Städte glauben, es sei die böse Kommission in Brüssel, welche die Vergabefreiheit in immer stärkerem Masse einengt. Dies ist in Wahrheit aber nicht die Kommission, sondern der EuGH. Und der handelt nicht aus eigenem Antrieb, sondern weil die privaten Dienstleistungsunternehmen in immer erneuten Verfahren eine Einengung der Gestaltungsfreiheit der Kommunen einfordern. Und der EuGH setzt in der Tat, in Auslegung der EU-Verträge, immer engere Maßstäbe. Könnte er anders Recht sprechen? Ich glaube, ehrlich gesagt, nein, er kann nicht. Wer hier Abhilfe schaffen will, muss sich nicht an die Europäische Kommission oder das Europäische Parlament wenden. Gefragt sind hier die Regierungen, die das europäische Primärrecht gestalten. Ich frage aber: wer in der Bundesregierung kämpft hier auf der europäischen Ebene für die deutschen kommunalen Unternehmen? Die Unterstützung der Kommunen in ihrem Verlangen nach Schutz ihres Rechtes auf Selbstverwaltung ist nicht ausreichend.

Public Private Partnerships
Einige grundsätzliche Anmerkungen noch zu Public-Private-Partnerships. Diese funktionieren nur, wenn die Geschäftsgrundlage tatsächlich stimmt. Die Gebietskörperschaft muss wissen, warum sie das Kapital und das Know how eines privaten Partners akzeptiert, um ein öffentliches Unternehmen mit Hilfe dieses privaten Partners auf der Gesellschafterebene zu führen. Der Zielkatalog für diese Partnerschaft muss in einem Konsortialvertrag ganz klar geregelt sein. Aber noch eine Sache muss auch immer klar sein: Der private Partner will für sein Know how und sein Kapital angemessen honoriert werden. Kurz: eine PPP kann nur funktionieren, wenn der private Partner angemessen Geld verdient. Dies kann folglich hinterher nicht verteufelt werden, wie das z.B. in Berlin gegenwärtig bei den Berliner Wasserbetrieben geschieht.

Aber eine Gebietskörperschaft muss in der Tat wissen, mit wem sie sich einlässt. Ich kehre zurück zur Energiewirtschaft. Wir als Beratungsunternehmen haben die vielen Transaktionen über einige Jahre mitgezählt. In Deutschland ist die Mehrheit der Städte sehenden Auges Partnerschaften mit unseren Oligopolunternehmen eingegangen. EON, gefolgt von RWE, waren mit Abstand die bevorzugten Partner. Bis dann allmählich klar wurde, dass auch unser über Jahre nachsichtiges Bundeskartellamt weitere Zukäufe dieser Giganten nicht mehr erlaubt. Heute fragen sich viele, was diese Städte da eigentlich gemacht haben? Sie haben sich ja nicht nur den Gefahren der vertikalen Integration ausgesetzt. Nein, sie haben den Wert der Anteile an ihren Unternehmen erheblich gemindert. Denn diese Anteile sind nahezu unverkäuflich geworden, weil ihre Oligopolpartner auf der Gesellschafterebene nicht mehr zukaufen dürfen und andere, vor allem ausländische Käufer, nicht einsteigen werden, wenn eine EON oder RWE bereits 49%ger Anteilseigner an einem Stadtwerk ist.

Dieses Dilemma für solche Städte wird sich in der nächsten Zeit noch verschärfen, wenn EON und RWE tatsächlich ernsthaft in den Kampf um die Endkunden eintreten werden, wie jüngst angekündigt. Sie kannibalisieren dabei ja nicht nur ihre eigenen Regional-Versorgungsunternehmen, indem sie ihre Privatkunden zukünftig vertrieblich zentral führen. Nein, sie greifen dabei auch die kommunalen Versorgungsunternehmen an, an denen sie selbst beteiligt sind. Das wird noch sehr spannend werden, ob sie in Verbund mit Yellow das Trägheitsmoment bei den Endkunden überwinden können. Aber wenn dies mit massivem Finanz- und Werbeeinsatz auch nur sprungweise gelingt, gibt es ganz neue Gefahren für den Zentralbereich der kommunalen Wirtschaft, die Stadtwerke. Denn die Kommunen, die sich den Oligopolunternehmen „hingegeben“ haben, werden dann ernsthaft darüber nachdenken müssen, ob sie nicht doch die falsche Wahl getroffen haben. Wie kommen sie aus der Falle heraus, in die sie sich selbst begeben haben?

Horizontale Kooperation
Deshalb komme ich zum Schluss noch einmal auf die Gebietskörperschaften, ihre Aufgaben und ihre Aufgabenerlediger, die öffentlichen Unternehmen insgesamt, zurück.
Warum eigentlich schaffen es so wenige Gebietskörperschaften und so wenige kommunalen Unternehmen, die Vorteile der Economy of Scale zu nutzen, um sich in horizontalen Verbünden zusammenzuschließen? Ich weiß, wie schwierig das ist. Aber Schwierigkeiten können auch überwunden werden. Ein Beispiel.

Mannheim ist heute Sitz des ÖPNV-Unternehmens RNV. Es entstand aus fünf Verkehrsunternehmen, die von den Städten Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg gehalten wurden. Wir haben dort zwei Jahre lang beraten, um einen Mobilitätsdienstleister für die ganze Region zu erschaffen. Wir haben die RNV auf der grünen Wiese als voll ausgestattetes ÖPNV-Unternehmen geplant und die Verkehrsleistungen der fünf beteiligten ÖPNV-Unternehmen in die RNV eingelegt. Es ergaben sich Kosteneinsparungen von 24 Mio. € p.a., die erschlossen werden konnten. Die alten Verkehrsunternehmen mutierten zu Infrastrukturunternehmen, behielten zunächst die Konzessionen. Für das neue Unternehmen wurde ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen, mit der Beteiligung von Gewerkschaftsorganisationen zweier Bundesländer. Fünf Betriebsräte der beteiligten Unternehmen heuerten jeweils ihre eigenen Berater an. Wir haben deren Einwände gegen das Allianz-Projekt in mühsamsten Verhandlungen einzeln überwunden, haben fünf Aufsichtsräte überzeugt und fünf Geschäftsführungen in einem schwierigen Prozess am Ende stets hinter uns gewusst. Dann haben wir drei Oberbürgermeister in den gesamten Prozess, die den ganzen Prozess initiiert hatten, trotz aller Schwierigkeiten bei der Stange gehalten und zum Schluss dann noch drei Stadträte und deren Ausschüsse zu positiven Voten gebracht. Es ist also gegangen. Die RNV fährt seit zwei Jahren und kann als Ergebnis einer horizontalen kommunalen Kooperation besichtigt und beurteilt werden. Warum schaffen deutsche Gebietskörperschaften und ihre öffentlichen Unternehmen nicht mehr Beispiele solcher horizontaler kommunaler Kooperationen? Es würde mehr kommunale Macht bedeuten, ein stärkeres Bollwerk gegen den stetigen Anspruch der privaten Dienstleister, die auf der Grundlage des Gedankens der Liberalisierung, der Aufhebung der örtlichen Demarkationen und der Zertrümmerung örtlicher Monopole nichts anderes wollen als die Beseitigung der Dienstleistungen für Bürger in unseren Gebietskörperschaften durch deren eigene kommunale Unternehmen. Warum kann Deutschland diesen Schritt in die Unternehmensgröße durch horizontale Kooperation nicht schaffen?

Diese Frage stelle ich an Sie.“